Grabbe

Grabbe
Grạbbe,
 
Christian Dietrich, Schriftsteller, * Detmold 11. 12. 1801, ✝ ebenda 12. 9. 1836; wurde als Sohn eines Zuchthausaufsehers stark geprägt durch die Eindrücke der Gefängnisatmosphäre; studierte 1820-22 Jura in Leipzig und Berlin, lernte in Berlin H. Heine, in Dresden L. Tieck kennen; versuchte Schauspieler und Regisseur zu werden; 1824 juristisches Examen, 1828 Militärauditor in Detmold; schied 1834 aus der Beamtenlaufbahn aus, ging nach Frankfurt am Main, dann zu K. L. Immermann ans Düsseldorfer Theater. Grabbes depressiver Charakter, mehr und mehr zerstört durch Alkoholismus, sowie sein rücksichtsloser Kampf gegen die auf der deutschen Bühne herrschende epigonale Trivialdramatik verhinderten eine dauerhafte Zusammenarbeit. 1836 kehrte Grabbe nach Detmold zurück. Sein unter dem Einfluss Shakespeares, der Dramatik des Sturm und Drang und des romantischen Schicksalsdramas entstandenes frühes Stück »Herzog Theodor von Gothland« (entstanden 1819-22, erschienen 1827) zeigt als Tragödie einer fortschreitenden Desillusionierung den Zerfall der idealistisch-romantischen Weltsicht. Wird hier der tragische Grundgestus durch groteske Akzente unterbrochen, lebt das Lustspiel »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung« (entstanden 1822, erschienen 1827) von der satirischen Behandlung des Grotesk-Fantastischen; zum Teil wird das surrealistische Theater der Moderne vorweggenommen. Das Drama »Don Juan und Faust« (1829, in Jamben) zeigt diese beiden Repräsentanten des Abendlandes als typisierte Vertreter der »Extreme der Menschheit« in der Antithese von Sensualismus und Spiritualismus. In der Absicht, eine originale deutsche Dramatik zu schaffen (»Über die Shakespeareo-Manie«, Studie, 1827), plante Grabbe einen Hohenstaufen-Zyklus, von dem er aber nur »Kaiser Friedrich Barbarossa« (1829) und »Kaiser Heinrich der Sechste« (1830) ausführte. Den Höhepunkt seines Schaffens erreichte Grabbe mit den Tragödien »Napoleon oder Die hundert Tage« (1831) und »Hannibal« (1835), deren Struktur das Bestreben zeigt, Geschichte konzentriert darzustellen und zu deuten. Die Enträtselung des geschichtlichen Geistes suchte Grabbe in einer neuen Form des Geschichtsdramas, das die Epoche zusammen mit einer überhöhten Heroendarstellung erfassen will. Die Entdeckung der realen geschichtlichen Kräfte, die Darstellung der Masse auf der Bühne und die Entwicklung einer episch-dramatischen Darstellungsform machen ihn neben G. Büchner zu einem wichtigen Wegbereiter des modernen Dramas.
 
Ausgaben: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe, bearbeitet von A. Bergmann, 6 Bände (1960-73); Werke, herausgegeben von R. C. Cowen, 2 Bände und Kommentarband. (1975-77); Werke, herausgegeben von H.-G. Werner, 2 Bände (1987).
 
 
A. Bergmann: C. D. G. Chronik seines Lebens (1954);
 A. Bergmann: G.-Studien (1977);
 W. Hegele: G.s Dramenform (1970);
 H.-M. Gerresheim in: Dt. Dichter des 19. Jh., hg. v. B. von Wiese (21979);
 
G.-Jb. (1983 ff.);
 K. Ziegler: G.s Leben u. Charakter (Neuausg. 1984);
 
G. u. die Dramatiker seiner Zeit, hg. v. D. Kopp u. a. (1990).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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